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Fragen Sie unsere Experten: Der Krieg in der Ukraine und Sanktionen gegen Russland

Einblicke in die Branche, Fallstudien

Fragen Sie unsere Experten: Der Krieg in der Ukraine und Sanktionen gegen Russland

Da sich die Lage in der Ukraine im Februar 2022 weiter zuspitzt, wird klar, dass die Auswirkungen auf die Lieferketten unabhängig von den tatsächlichen Entwicklungen der Krise schwerwiegend und potenziell verheerend sein werden.

Wir haben Experten aus der gesamten Branche eingeladen, um uns ihre ersten Ansichten über die mögliche Bedeutung der Krise mitzuteilen und Ratschläge bereitzustellen, damit Unternehmen angesichts der widrigen Umstände widerstandsfähige Lieferketten aufbauen können.  In der ersten Folge unserer Reihe „Fragen Sie unsere Experten“ befasst sich der Commodities-Analyst Jason Kaplan mit dem Ukraine-Krieg, den Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland, möglichen Preisspitzen im Energiebereich und Versorgungsunterbrechungen bei bestimmten wichtigen Metallen.

Was sind Ihre ersten Beobachtungen zu den Auswirkungen auf die Lieferkette nach den Ereignissen der letzten Tage?

Jason Kaplan: Unterbrechungen der Lieferketten und Preisspitzen waren zu erwarten, da man befürchtete, dass sich der Konflikt ausweiten würde.  Sobald der erste Schock abgeklungen ist und die Lieferketten auf Unterbrechungen überprüft werden können, rechne ich damit, dass die Preise wieder auf das vorherige Niveau zurückkehren werden.  Allerdings werden die Beeinträchtigungen bei der Versorgung mit Gas oder bestimmten Metallen anhalten, was die Lieferketten unter Druck setzen und die Preise teilweise hoch halten wird.

Welche Lehren können wir aus der Vergangenheit ziehen, um eine weitere Unterbrechung der Lieferketten in einer Welt, in der diese immer noch fragil sind, zu verhindern?

Jason Kaplan: Die Situation ist dynamisch und ungewiss, aber der Ukraine-Konflikt von 2014 liefert uns etwas Kontext für mögliche Auswirkungen.  Während die Versorgung mit Rohstoffen aus dem Land zunächst beeinträchtigt war, passten sich die Importeure an und wichen auf andere Quellen aus.  Am deutlichsten wurde dies beim Rückgang der türkischen Stahleinfuhren aus der Ukraine, die durch Einfuhren aus Russland und China ersetzt wurden.

Die Ukraine ist kein bedeutender Lieferant von sogenannten Hard Commodities.  Bei Stahl zum Beispiel belegt die Ukraine seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 den 14. Platz unter den größten Stahlproduzenten.  Angesichts der weltweiten Überschüsse in der Stahlproduktion könnte diese Angebotslücke durch andere Regionen kompensiert werden.  Soft Commodities werden angesichts der Bedeutung von ukrainischem Weizen und Mais für den Weltmarkt eher ein Problem sein.

Die Situation entwickelt sich schnell, aber zu was raten Sie Unternehmen, die sich angesichts dieser Situation fragen, wie sie in diesen unsicheren Zeiten das Lieferkettenrisiko minimieren können?

Jason Kaplan: Im Moment sind der Verlauf des Konflikts und die Ziele der Invasion unklar, ebenso wie die Reaktion anderer Länder auf die Krise.  Wie im Jahr 2014 wird die Produktionsbasis erst nach Wiederherstellen der Stabilität in der Lage sein, sich anzupassen. Kunden werden die Auswirkungen erst dann verstehen.

Mit Blick auf die Zukunft gehe ich davon aus, dass Rohstoffförderung und Industrie in der Ukraine unabhängig vom Ausgang der Krise wieder einen großen Teil, aber nicht das gesamte frühere Niveau erreichen werden. Die Abnehmer werden sich jedoch wahrscheinlich davor hüten, sich auf ukrainische Lieferanten zu verlassen, sodass die Bedeutung des ukrainischen Angebots weiter abnehmen wird. Auch der Bestimmungsort der Rohstoffe könnte sich ändern, da China aus wirtschaftlichen und politischen Gründen einen größeren Anteil der ukrainischen Produktion abnehmen wird, insbesondere nachdem China zunehmend weniger von Australien bezieht.

Noch problematischer könnte die Versorgung mit in der Lieferkette nachgelagerten Produkten sein, z. B. mit Automobilteilen.  Multinationale Unternehmen werden ggf. feststellen, dass es ihnen verboten ist, in einem annektierten Land tätig zu sein oder Produkte aus diesem zu beziehen, was die Produktion in der Ukraine beeinträchtigen würde.

Die größten Auswirkungen dürften die Sanktionen gegen Russland haben. Russische Rohstoffe und Produkte sind fester Bestandteil der globalen Lieferketten und die Sanktionen könnten dazu führen, dass alternative Bezugsquellen gefunden werden müssen.  Bedenkt man dazu noch die Auswirkungen auf die Lieferketten, die in den letzten 24 Monaten durch COVID-19 entstanden sind, könnte dies zu unvermeidlichen Problemen für Unternehmen führen, die nur begrenzte Beschaffungsmöglichkeiten haben oder die Herkunft ihrer Lieferungen nicht kennen.

Welche Preisspitzen und Markttrends sollten wir abschließend in den kommenden Wochen und Monaten im Auge behalten?

Jason Kaplan: Für Europa dürfte Energie die größte Sorge sein.  Die Gaspreise waren bereits erhöht, was die Konsumausgaben unter Druck gesetzt und die Produktionskosten in die Höhe getrieben hat.  Jegliche Beschränkung der russischen Gaslieferungen – die 2021 etwa 40 % der EU-Gasimporte ausmachten – wird zweifellos zu höheren Energiekosten führen, was wiederum die Inflation in die Höhe treibt und der Wirtschaft schadet. Dies gibt tatsächlich Anlass zur Sorge.

Rohstoffe auf Eisenbasis wie Stahl und Eisenerz sind womöglich weniger problematisch.  Die weltweiten Kapazitäten sind ausreichend, es besteht sogar ein Überschuss und die Bezugsquellen können umgeschichtet werden, um einen Ausgleich zu schaffen.  Allerdings könnten die Lieferketten noch etwas Zeit brauchen, um sich anzupassen.

Problematischer sind aus Sicht der Lieferketten die Sanktionen gegen Russland.  Neben Energieträgern ist Russland ein Hauptlieferant von Metallen wie Nickel und Platin.  Die Handelsfinanzierung ist bereits zum Problem geworden, da einige Institute bei der Finanzierung des Handels mit Russland zurückhaltend sind, was den Export erschwert und verteuert.  Die Entscheidung, einige russische Banken vom SWIFT-Zahlungssystem auszuschließen, erschwert es den Unternehmen zusätzlich, grenzüberschreitende Geschäfte mit Russland zu tätigen – selbst bei befreundeten Ländern wie China.

Es ist noch zu früh, um die Auswirkungen der Krise zu analysieren.  Vieles wird davon abhängen, wie gut sich die Lieferketten anpassen können, welche Sanktionen verhängt werden und welche wirtschaftlichen Auswirkungen die Krise hat.

 

Wenn Sie sich Sorgen über die Auswirkungen dieser Krise auf Ihr Unternehmen machen, wenden Sie sich an unser Expertenteam.

 

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