Die mit COVID-19 verbundenen Risikofaktoren für Lieferketten aus Nachfrage-, Versorgungs- und Finanzperspektive sind ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig eine angemessene Strategie für das Lieferketten management ist. Unternehmen waren nicht in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Endkunden zu erfüllen, weil es zu Problemen mit ihren direkten Lieferanten oder Ausfällen vorgelagerter Glieder der Lieferkette kam, wie zum Beispiel Insolvenzen oder Versorgungslücken. Dies hat viele Unternehmen veranlasst, ihre Strategien zur Risikominderung im Lieferkettenmanagement zu verbessern und von einem reaktiven „Just-in-Time“-Ansatz zu einem proaktiven „Just-in-Case“-Ansatz überzugehen.
In dem in der britischen Financial Times veröffentlichten Bericht „Suez Blockage will accelerate global supply chain shift“ erklärt Søren Skou, Chief Executive von A. P. Moller-Maersk, einem Unternehmen, das rund 20 % der weltweiten Seefracht befördert:
„Wie ‚Just in Time‛ wollen Sie sein? Es ist großartig, wenn es funktioniert, aber wenn nicht, wird Ihr Umsatz leiden.“ Søren Skou, Chief Executive von A. P. Moller-Maersk
Herausforderungen bei der Verwaltung des Lieferkettenrisikos
Es gibt verschiedene Herausforderungen, die es zu berücksichtigen gilt, wenn Unternehmen ihr Risikomanagement verbessern möchten:
- unzureichende und ungenaue Lieferanten- und Lieferkettendaten
- ein Verständnis davon, wie man einen nach Prioritäten geordneten Aktionsplan entwickelt, um notwendige Verbesserungen voranzutreiben
- die Verfügbarkeit der geeigneten, aufeinander abgestimmten internen Ressourcen, um die mit vielen Hunderten Lieferanten und Lieferketten verbundenen Daten zu verstehen und zu verwalten
Um diese Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Risikomanagement anzugehen, lohnt es sich, die folgenden drei Entwicklungsprioritäten aus der Perspektive der Lieferkette zu betrachten:
- Stellen Sie sicher, dass Ihre Strategie für Beschaffungs- und Lieferkettenrisiken auf die allgemeine Geschäftsstrategie und die Unternehmensziele abgestimmt ist. Außerdem muss die Geschäftsleitung die Bedeutung dieser Strategie und die Auswirkungen eines Ausfalls verstehen und wissen, welche Ressourcen für die Gewährleistung des Erfolgs benötigt werden.
- Verschaffen Sie sich Einblick in die finanziellen Auswirkungen eines Lieferanten-/Versorgungsausfalls sowie die relativen Risiken und die Geschwindigkeit dieser Auswirkungen. Dabei müssen alle Glieder der Lieferkette berücksichtigt werden, nicht nur die direkten Lieferanten. Für beide Bereiche kann die Erstellung eines Return-on-Investment-Modells, das auf die Geschäftsstrategie und das vorgeschlagene Framework für das Lieferantenrisikomanagement abgestimmt ist, nützlich sein.
- Machen Sie relevante, validierte und umfassende Daten zur Lieferkette verfügbar. So können Sie die wesentlichen Lieferketten und Lieferanten bewerten, überwachen und sich ein aktuelles Bild von der Entwicklung ihres Risikos machen.
Sobald diese wichtigen Bausteine vorhanden sind, müssen Sie sicherstellen, dass Sie einen angemessenen und umfassenden Bewertungsansatz für die relevanten Risikobereiche wählen. Dies beinhaltet finanzielle Risiken der Lieferanten, Cyber-Risiken, Arbeitsschutz sowie CSR-Aspekte. Darüber hinaus müssen geopolitische Risiken, Naturkatastrophen (die aufgrund des Klimawandels zunehmen) und die damit verbundenen logistischen Herausforderungen in jeder Risikomanagementstrategie berücksichtigt werden. Die folgende Abbildung unterstützt Sie in Ihren Überlegungen zu den verschiedenen Risiken in der Lieferkette, mit denen Sie konfrontiert werden könnten:
Nach einem Diagramm aus „Fundamentals of Risk Management“ von Paul Hopkin
Die Quantifizierung des finanziellen Risikos eines Lieferanten oder eines allgemeinen Lieferkettenausfalls ist der erste Schritt bei der erfolgreichen Implementierung eines Risikomanagementplans. Der beste Ansatz ist hierbei, die Auswirkungen auf die Rentabilität zu betrachten. Manchmal reichen aber auch die Auswirkungen auf den Umsatz als Grundlage aus. So erkennen Sie, auf welche Aspekte Ihrer Lieferkette Sie sich im Hinblick auf Unterbrechungen konzentrieren sollten. Dabei dürfen Sie jedoch auch potenzielle Reputations- und regulatorische Risiken, die von Ihrer Lieferkette ausgehen, nicht außer Acht lassen.
4 Schritte zur Verwaltung des Lieferkettenrisikos
Es gibt vier wichtige Schritte, die Sie befolgen müssen, um die Risikoexposition innerhalb Ihrer Lieferkette zu verstehen:
- Relevante Risiken identifizieren: Diese Identifizierung relevanter Risiken muss, wie oben ausgeführt, umfassend sein und sollte sich nicht nur auf den Lieferanten selbst, sondern auch auf seinen Produktions- oder Dienstleistungsstandort konzentrieren. Sie müssen auch dafür sorgen, dass Ihr direkter Lieferant die entsprechende Transparenz und Absicherung in Bezug auf seine kritischen unterstützenden Lieferanten (Lieferketten-Mapping) gewährleistet und dabei die potenziellen Risiken, die diese im Hinblick auf Unterbrechungen und Reputation darstellen, berücksichtigt. Dabei ist es unerlässlich, dass die von Ihnen verwendeten Daten sachgemäß validiert und auf dem neuesten Stand sind.
- Das Risiko analysieren und priorisieren: Es muss Ihnen auch bewusst sein, wie wichtig es ist, in jeder Risikoaggregation die einzelnen Risikofaktoren zu verstehen. Ein Lieferant kann beispielsweise finanziell solide sein, aber wenn sein Produktionsstandort einem erheblichen Hochwasserrisiko oder aber geopolitischen Risiken ausgesetzt ist, muss dies hervorgehoben werden. Ihnen sollte auch bewusst sein, dass eine Ansammlung von Risiken zu einem kritischen Schwachpunkt in Ihrer Lieferkette führen kann.
- Das Risiko überwachen: Dies darf keine einmalige Übung sein. Wir alle wissen, dass sich – insbesondere im aktuellen Geschäftsumfeld – die Risiken ständig ändern und dass die Anforderungen Ihrer Endkunden sich weiterentwickeln. In den meisten Fällen nutzen Unternehmen spezialisierte Drittanbieter, um ein stets akuelles Risikobild zu erhalten.
- Das Risiko mindern: Nachdem Sie die Lieferanten/Lieferungen identifiziert haben, die Ihr höchstes finanzielles Risiko darstellen, ist es entscheidend, dass Sie geeignete Pläne zur Risikominderung implementieren. Diese können selektive Ergänzungen des Lagerbestands, verbesserte und getestete Business-Continuity-Pläne für Lieferanten oder die Ermittlung geeigneter vorqualifizierter alternativer Lieferanten beinhalten.
Es ist wichtig, diesen Risikomanagementplan mit zentralen Unternehmensfunktionen wie Vertrieb, Betrieb, Finanzen und Beschaffung zu teilen, damit dieser sichtbar ist sowie ihn regelmäßig der Geschäftsleitung zugänglich zu machen, damit diese Feedback zur allgemeinen Risikobereitschaft, relevanten Prioritäten und der Ressourcenzuweisung geben kann.
Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass eine Risikomanagementstrategie nicht nur ein wichtiger Bestandteil eines guten Lieferketten- und Leistungsmanagements ist, sondern auch ein dynamischer Aktionsplan, der regelmäßig aktualisiert und kontinuierlich von der Geschäftsleitung unterstützt werden muss. Konsumenten und Investoren fordern zunehmend, dass Unternehmen einen Triple-Bottom-Line-Ansatz mit den drei Säulen Mitarbeiter, Umweltschutz und Gewinn verfolgen. Außerdem erwarten sie, dass es in ihrer Lieferkette zu keinen Unterbrechungen kommt. Dies erfordert eine agile und widerstandsfähige Lieferkette, in der Risiken proaktiv identifiziert und gemanagt werden, um die Auswirkungen möglicher Probleme zu vermeiden oder zu reduzieren. In diesem Kontext bedeutet Wissen Macht: Der einfache Zugang zu geeigneten, validierten und zeitnahen Lieferanten- und Lieferkettendaten ist die Grundlage für das erfolgreiche Risikomanagement in Ihrer Lieferkette. Wenn Ihnen diese Daten fehlen, Ihr Mitbewerber Sie jedoch hat, kommt dies dem Versuch gleich, ein Schachspiel zu gewinnen, bei dem nur Ihr Gegner alle Figuren auf dem Brett sehen kann, Sie selbst aber nicht.